Du bist Produkthersteller, erzielst den Großteil deines Umsatzes aber mit Dienstleistungen? Da kann was nicht so ganz stimmen. Deswegen wollen wir uns in diesem Beitrag nicht nur ansehen, wie es dazu kommt, dass man in der Komplexität der eigenen Produkte gefangen ist, sondern auch, welche Lösungswege es für dieses Problem gibt. 

Podcast-Folge #196

  • Woran es liegt, dass zu viele Individualprojekte stattfinden (03:00)
  • Sackgasse der Woche: Ist abreißen und neu bauen wirklich die Lösung? (09:00)
  • Worauf man achten muss, um nicht in die Individualauftrags-Falle zu tappen (22:00)
  • Lasse dich bei der Produktentwicklung nicht zu sehr von einzelnen Kunden beeinflussen (26:00)
  • So klappt der Wandel von der Projektorganisation zum Produktunternehmen (39:00)

In diesem Beitrag

Wie kommt es dazu, dass man zu viele Individualprojekte anzieht? 

Grundsätzlich gibt es drei Pfade, die dazu führen können, dass man sich in immer neuen Individualprojekten wieder findet, statt hauptsächlich ein fertiges Produkt zu verkaufen. Auf welchem dieser Pfade man sich schlussendlich wiederfindet, hängt stark damit zusammen, wie das eigene Produkt bisher organisch gewachsen ist.

  1. Pfad: Man fängt an, ein neues Produkt zu entwickeln, geht dabei aber zu stark auf die ersten ein oder zwei Kunden ein. Dadurch haben diese Kunden zu viel Macht und man läuft Gefahr, wieder in eine Auftragsabwicklung abzurutschen.
  2. Pfad: Man kommt aus dem Projektgeschäft und hat mit der Zeit festgestellt, dass man es immer wieder mit ähnlichen Lösungen zu tun hat. Nun versucht man, diese Lösung in ein Produkt weiterzuentwickeln, was dann aber zu zwei Problemen führen kann. Bestehende Kunden haben einen bisher als Dienstleister wahrgenommen, während auf der anderen Seite neue Kunden hinzukommen, die einen eben nicht so sehen. Gleichzeitig ist man aber selbst auch noch mit dem Mindset-Wechsel beschäftigt, was diesen Wandel anspruchsvoll machen kann.
  3. Pfad: Es gibt bereits ein Produkt, hinter dem etwa eine Finanzierung steht. Dementsprechend steigt auch der Druck, Umsätze zu erwirtschaften, weshalb dann schnell Kompromisse eingegangen werden. So werden beispielsweise Kunden angenommen, die eigentlich nicht so ganz zum eigenen Produkt passen. Gerade im B2B-Umfeld kommt es oft vor, dass über Konzernvorgaben und IT-Richtlinien sehr viele Anforderungen an den Produkthersteller übertragen werden - mit dieser Problemstellung werden wir uns an einer späteren Stelle im Text noch beschäftigen.

Projektgeschäfte gänzlich zu vermeiden, kann daher sehr schwierig bis unmöglich sein. Wichtig ist deshalb zu wissen, wie man geschickt damit umgehen kann.

Sackgasse der Woche: Alles abreißen und neu aufbauen - ist das wirklich die Lösung? 

Wenn man eine Zeit lang immer wieder Individualprojekte macht, obwohl das gar nicht das Ziel war, dann besteht verständlicherweise der Wunsch, einfach mal komplett von Neuem zu beginnen. Unter Umständen ist das auch nicht die abwegigste Lösung, da ein Umbau unter Umständen noch viel aufwendiger wäre.

Trotzdem muss man zwei Dinge ganz besonders beachten, wenn man sich für diese Hau-Ruck-Lösung entscheidet.

Es braucht ein neues Setup, und zwar für das ganze Unternehmen, denn sonst steht man in ein paar Jahren wieder genau an demselben Punkt. Dazu kommt, dass so eine Neubaustrategie, bei der man neben ein bestehendes, laufendes Produkt, noch ein neues baut, noch mal eine ganz eigene Komplexität mitbringt. Für eine gewisse Zeit hast du dann nämlich noch eine zusätzliche Variante, die du natürlich auch betreuen musst.

Welche Probleme bringt das Projekt-Verhalten im Unternehmensalltag mit sich? 

Haben deine Kunden zu viel Mitspracherecht am endgültigen Produkt, dann kann das dazu führen, dass der Kern deines Produktes verwässert wird. Das wiederum macht es schwer, den eigenen Fokus zu behalten. Fokus braucht es aber, wenn man entscheiden muss, welche Dinge man umsetzt und welche nicht.

Zusätzlich verlierst du im schlimmsten Fall auch ein wenig deine Identität. Wofür stehst du, wenn du versuchst, es jedem recht zu machen? Etwa wenn du eigentlich nur Prozess X machen willst, dann aber noch Prozess Y dazu nimmst, weil das gerade opportun war. Sowas sorgt für einen unklaren Fokus und das macht es dann auch schwierig, ein Team von Mitarbeitenden zu steuern.

Wenn du für unterschiedliche Kunden immer wieder unterschiedliche Varianten des Systems anbietest und diese Spezifikationen dann vielleicht sogar im Code abgebildet sind, dann hast du vor allem eines - eine riesengroße Komplexität. Bei jeder neuen Funktion, die implementiert wird, muss entschieden werden, ob dies für alle oder nur für den einen Kunden sein soll. Das alles zu managen sorgt für einen massiven Wartungsaufwand und Instabilität.

Ein weiteres Problem ist, dass man durch hohe Individualität den Onboarding-Prozess neuer Kunden extrem in die Länge zieht. Man hemmt das eigene Wachstum und verliert so die Skalierungseffekte, von denen man eigentlich durch die Produktentwicklung profitieren wollte.

Wieso ein starkes Produktmanagement so wichtig ist  

Wir haben bereits erwähnt, dass es gerade im B2B-Umfeld teilweise unvermeidbar ist, gewisse Systemintegrationsanpassungen vorzunehmen. Damit das aber in geregelten Bahnen abläuft, braucht es ein starkes Produktmanagement.

Obwohl diese Rolle so wichtig ist, ist sie in vielen Unternehmen nicht so stark ausgeprägt, wie es eigentlich notwendig wäre. Das Produktmanagement behält die Kontrolle darüber, die unterschiedlichen Anforderungen und Kundenwünsche zu filtern und zu definieren, welche Features schlussendlich den Weg ins Produkt finden und welche nicht.

Dabei soll das Produktmanagement nicht die Rolle des “immer Nein sagenden” Spielverderbers einnehmen, sondern schlicht und einfach im Sinne der Organisation denken. Um das effektiv machen zu können, braucht es eine gemeinsame Produktvision. Erst dann kann man sich auf einen Standard einigen und klarer darüber werden, was priorisiert wird.

Was bedeutet das nun im Kontext des B2B-Umfeldes? 

Hat man für sich mal einen Standard definiert, dann kommen möglicherweise einige Punkte zur Sprache, die nicht in das eigene Produkt passen. Manche Firmen lösen diese Problematik, indem sie eigene Teams oder Einheiten gründen, die sich dann mit diesen Extra-Themen beschäftigen, oder sie suchen sich Partner, um Themen, die nicht zu ihrem Standard passen, abzugeben. Grundsätzlich ist es einfach wichtig, dass es eine saubere Trennung gibt. Wie hart diese ausfällt, kann natürlich frei entschieden werden.

So vermeidest du es, dich bei der Produktentwicklung zu sehr von einzelnen Kunden beeinflussen zu lassen 

Gerade wenn du dabei bist, ein neues Produkt zu entwickeln, ist es gar nicht so gut, diesen Prozess direkt gemeinsam mit potenziellen Kunden zu starten. Gerade die enge Zusammenarbeit mit nur ein oder zwei Kunden kann schnell mal dazu führen, dass du den Wünschen eines Einzelnen hinterherjagst. Hole dir stattdessen erstmal eine gewisse Menge an Kundenfeedback ein, anstatt dich nur auf die Meinung eines Kunden zu verlassen.

Versuche, so viel Information wie möglich zu den folgenden Fragen zu sammeln:

  • Was sind die Kernprobleme, die mehrere Kunden teilen?
  • Für wen wollen wir das Produkt entwickeln?
  • Mit wem beziehungsweise für wen arbeiten wir gerne?
  • Was ist der Kern des Produktes? Was bleibt bei jeder Variation und Anpassung unumstößlich?

Um diese Fragen ausreichend beantworten zu können, ist es sinnvoll, mal mit 10 Kunden in den Erkenntnisprozess für die Produktentwicklung zu starten. Denn mit einem oder zwei Kunden kannst du schlicht noch keine Muster erkennen. Die klare Unterscheidung zwischen Kern und Anpassungen muss bereits in der Grundarchitektur stehen, da man sonst das ganze Produkt falsch zusammenbaut.

Auch der Vertrieb im eigenen Unternehmen kann dazu beitragen, dass zu viele neue Projekte hineinkommen, die vielleicht gar nicht zu 100 Prozent zum eigenen Unternehmen passen. Hier kommt es oft zu einem Spannungsfeld, wenn den Vertrieblern nicht ganz klar ist, was das Produkt im Kern leisten kann, und was eben nicht.

Wie dir der Wechsel von Projektorganisation zu Produktunternehmen leichter fällt 

Steckt man gerade im Wandel vom Dienstleister hin zum Produktunternehmen, dann ist das für alle Beteiligten ein Prozess. Einerseits sind da die Mitarbeiter, die über Jahre daran gearbeitet haben, Kundenwünsche zu erfüllen und auf der anderen Seite stehen die Kunden, die es gewohnt sind, viel Mitspracherecht zu haben.

Deshalb braucht es ein starkes Produktmanagement und die Fähigkeit, die Vorteile eines Produktes klar kommunizieren zu können. Vielleicht werden spezifische Kundenwünsche jetzt nicht mehr sofort erfüllt, dafür bekommen die Kunden aber das Wissen vieler anderer Kunden über gut etablierte Geschäftsprozesse direkt mit dem Produkt ausgeliefert. Auch die Mitarbeiter haben durch diese neue Arbeitsweise die Möglichkeit, viel tiefer in einzelne Themen einzutauchen.

Wichtig ist es, sich der Vorteile immer wieder bewusst zu werden und diese auch klar an das eigene Team und die Kunden zu kommunizieren.

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